Finanzmärkte zwischen Kursmanie und Winterblues
Künstliche Intelligenz verspricht Produktivitätssteigerungen und neues Wirtschaftswachstum. Doch drohende Inflation, steigende Staatsschulden und geopolitische Konflikte sprechen weiterhin für eine gezielte Diversifikation in Sachwerte.
Weltwirtschaft
Die Weltwirtschaft zeigt sich trotz Unsicherheiten robust. Zwar droht der US-Wirtschaft durch neue Zölle eine Abschwächung, bislang blieben starke Einbrüche jedoch aus. Für 2026 wird ein leicht abgekühltes Wachstum von 1,7 % erwartet.
Die US-Arbeitslosenquote stieg im August auf 4,3 %, bei Berufseinsteigern sogar über 10 %, unter anderem durch den zunehmenden Einsatz von KI. Der seit dem 1. Oktober 2025 andauernde US-Regierungsshutdown verschärft die Lage zusätzlich und dämpft die Konsumlaune.
In Europa wirkte die Zolleinigung mit den USA entlastend, dennoch bleibt das Wachstum im Euroraum verhalten. Spanien wächst mit 2,7 % deutlich stärker als Deutschland (0,3 %). Erst ab 2026 könnten Investitionen in Rüstung und Infrastruktur die deutsche Konjunktur beleben.
Die Europäische Zentralbank dürfte angesichts schwacher Konjunktur und nachlassender Inflation die Zinsen bis Ende 2026 weiter senken. Die Vereinigten Staaten setzen hingegen auf niedrige Zinsen und höhere Inflation, um ihre Schulden zu bewältigen – zulasten von Konsumenten und Sparern. Sachwerte wie Aktien und Edelmetalle bleiben daher alternativlos.
Aktienmärkte
Der Weltaktienmarkt steht auf einem Allzeithoch. Mit einem erwarteten Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 21 ist dieser ähnlich hoch bewertet wie 2001 und 2021, wobei die langfristigen Gewinnaussichten vieler Unternehmen noch nicht vollständig berücksichtigt sind.
Globale Zinsen liegen aktuell bei rund 3,5 %, sodass kaum eine Aktienprämie gegenüber Anleihen besteht. Ein teurer Aktienmarkt muss jedoch kein Crash-Vorzeichen sein, da ein Großteil der US-Aktien über 30 % günstiger bewertet ist als die großen Tech-Schwergewichte.
Künstliche Intelligenz gilt als Haupttreiber der Aktienrallye seit 2023 – rund 75 % der US-Kursgewinne entfallen auf Unternehmen mit KI-Bezug. Der Ausbau der KI-Infrastruktur erreicht historische Größenordnungen: Produktivitätsgewinne sind bereits sichtbar, während Umsatzsprünge noch auf sich warten lassen. Ein Ausstieg erscheint daher verfrüht, auch wenn KI-Aktien inzwischen 30 % globaler Fonds ausmachen. Weiter sinkende Zinsen könnten die Aktienmärkte zusätzlich beflügeln.
Gewinnmitnahmen aus Tech- und Minenaktien sowie ein Reinvestment in unterbewertete Segmente bieten neue Chancen. Besonders US-Energie- und Gesundheitsaktien sowie Nebenwerte gelten als attraktiv.
Europäische und asiatische Aktien erscheinen fair bewertet, wobei in Asien auf weitere staatliche Unterstützung gesetzt wird. In Europa lässt der Aufschwung weiter auf sich warten, doch europäische Wachstumsaktien könnten durch sinkende Inflation und den Fokus auf Digitalisierung vor einem Comeback stehen. Interessante Segmente wie Technologie, Industrie und Infrastruktur sollten davon profitieren. Aufgrund der hohen Marktkonzentration bietet aktives Management besonders vielversprechende Chancen.
Anleihen
Die US-Notenbank hat mit Zinssenkungen begonnen, und bis Ende 2025 werden weitere Schritte erwartet. Angesichts der US-Staatsverschuldung von über 37 Billionen US-Dollar und erwarteten Zinszahlungen von über 1,2 Billionen US-Dollar erscheint dieser Kurs unausweichlich.
US-Präsident Trump erhöht den politischen Druck, da Zinssenkungen Milliarden einsparen und die Konjunktur stützen. Weitere Zinssenkungen in den USA treiben jedoch die Inflationserwartungen nach oben und schwächen das Vertrauen in US-Staatsanleihen, was deren Zinsen steigen und Kurse fallen lässt. Auch der US-Dollar gerät zunehmend unter Druck.
Für Euro-Anleger kann es daher sinnvoll sein, im vierten Quartal einen Teil ihrer Investments in währungsgesicherte Anteilklassen zu tauschen.
Die Schuldenproblematik betrifft nicht nur die USA: Auch in Europa belastet beispielsweise Frankreich mit einer Staatsverschuldung von 114 % des BIP die Stabilität der Eurozone erheblich. Zinskosten für französische Staatsanleihen liegen inzwischen über denen Griechenlands.
Für 2025 werden keine weiteren Zinssenkungen im Euroraum erwartet, während die steigenden Rüstungsausgaben die Schuldenproblematik weiter verschärfen. Im vierten Quartal sollten Anleger den Fokus auf Unternehmensanleihen mit guter Bonität und höher verzinste Schwellenländeranleihen legen. Gerade dort spielt die Währungsentwicklung eine zentrale Rolle. Vertiefende Informationen dazu finden sich im Fokusthema dieses Berichts.
Rohstoffe und Edelmetalle
Gold bleibt auch im vierten Quartal gefragt, da geopolitische Unsicherheiten und Inflationssorgen die Nachfrage nach sicheren Häfen stützen. Notenbanken weltweit stocken ihre Goldreserven weiter auf. ETF-Bestände und Umfragen zeigen, dass Anleger noch nicht überinvestiert sind.
Auch Silber gewinnt an Bedeutung und wird zunehmend von Notenbanken gekauft – ein weiteres bullisches Signal. Edelmetallminenaktien bleiben attraktiv, Rücksetzer bieten Chancen für Zukäufe.
Der Ölpreis zeigt sich stabil, gestützt durch geopolitische Risiken und ein drohendes Angebotsdefizit, da eine Rückkehr Russlands auf die Weltmärkte zunehmend unwahrscheinlicher erscheint.